Donnerstag, 9. Februar 2023

[ #Vorarlberg ] Die Modernisierung Vorarlbergs in den Jahren 1805 bis 1814 durch die Baiern


Die damals fortschrittliche bayerische Verfassung des Jahres 1808 gewährte die Gleichheit vor dem Gesetz, garantierte allen Staatsbürgern Sicherheit der Person, des Eigentums, die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit, beschränkte den Adel auf Titel und Grundeigentum, hob die letzten Reste der Leibeigenschaft auf.

Zu Weihnachten 1805 rückte eine kleine bairische Truppe als Vorbote des Herrschaftswechsels in Bregenz ein, am 19. Januar 1806 empfing König Maximilian I. eine Delegation der Vorarlberger Stände zur Huldigung, die formelle Übergabe des Landes erfolgte schließlich am 13. März 1806.

Die kurze Phase von 1805 bis 1814, während der Vorarlberg Teil des Königreichs Baiern (aus Baiern wurde erst1825 Bayern) war, genoss lange Zeit in der Landesgeschichtsschreibung als „bayerische Knechtschaft“ einen denkbar schlechten Ruf. Dass das Land in diesen Jahren einen enormen Modernisierungsschub erlebte, wurde freilich ausgeblendet. Heute scheint es, dass ausgerechnet die „Revolution von oben“, die die Bayern den Vorarlbergern verordnet hatte, die Weichen für die weitere wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklung des Landes stellte.

Bei den nunmehr bairischen Gebieten Vorarlbergs handelte sich um kleine, ehedem reichsfreie Herrschaften, die seit dem Spätmittelalter nach und nach in habsburgische Hand gekommen waren: Neuburg, Feldkirch, Bludenz, Bregenz samt Hohenegg, Sonnenberg, Hohenems und Blumenegg. Diese Sprengel waren einzig durch die Person des gemeinsamen Landesfürsten verbunden, in Bregenz, Feldkirch und Bludenz entstanden einander gleichgeordnete Vogteiämter. Eine Zentralbehörde für die österreichischen Gebiete auf Vorarlberger Boden wurde erst im 18. Jahrhundert eingerichtet.

In das arrondierte, souverän gewordene Königreich Baiern integriert, wurde Vorarlberg von einem ungestümen Modernisierungsschub erfasst, der keinen Stein auf dem anderen beließ. Es war eine „Revolution von oben“. Zunächst erfolgte die Eingliederung des Landes in die Provinz Schwaben, dann traten an die Stelle der bisherigen 24 Gerichtsprengel mit ihren völlig unterschiedlichen Strukturen und Kompetenzen sieben gleichartige Landgerichte mit beamtetem Personal für Jurisdiktion, Verwaltung und öffentliche Wohlfahrt. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht verloren die Landstände ihre Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Landesverteidigung, wenig später auch das Recht der Steuereinhebung. Schließlich hatte die Aufhebung aller Sonderverfassungen im Königreich Baiern gemäß der Verfassung vom 1. Mai 1808 die Auflösung der Vorarlberger Stände zur Folge.

Judenemanzipation und Religionsfreiheit. Das hohe Reformtempo der bairischen Regierung zeigte sich nicht nur in der Neuordnung des Verwaltungs- und Gerichtswesens sondern in bahnbrechenden Fortschritten im sozialen Bereich. Die fortschrittliche bayerische Verfassung des Jahres 1808 gewährte die Gleichheit vor dem Gesetz, garantierte allen Staatsbürgern Sicherheit der Person, des Eigentums, die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie Pressefreiheit, beschränkte den Adel auf Titel und Grundeigentum, hob die letzten Reste der Leibeigenschaft auf.

Abschaffung der Strafen für uneheliche Geburten und Gesundheitsreform. Auch im sozialen Bereich waren die baierischen Reformen wegweisend, etwa durch die Einführung von Sanitätsprengeln mit jeweils 3.000 Einwohnern, für die Landärzte und Hebammen bestellt wurden. Dazu kamen der Ausbau des Schulwesens, die staatliche Besoldung der Lehrerschaft und deren grundsätzliche Befreiung vom Kriegsdienst, die Einrichtung einer Industrieschule in Lustenau, die Einführung der
Feuerversicherung, die Abschaffung der Strafen für uneheliche Geburten, die Beseitigung der Diskriminierungen der jüdischen Bevölkerung, die Einführung der staatlichen Obsorge für entlassene Häftlinge.

Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter. Das u.v.m findet sich in dem Vortrag  von ao.Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter der dankenswerterweise in der Online-Zeitschrift des Landesarchivs Vorarlberg (Verba Volant Nr. 41 - Die „bayerische Knechtschaft“ Vorarlberg in den Jahren 1805 bis 1814  - 10.09.2008) erschienen ist und als durchsuchbare PDF kostenlos zur Verfügung steht.


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