Dienstag, 30. Mai 2023

[ #Vorarlberg ] Vorarlberg zensiert "Der Prozeß (1948)" schon vor der Aufführung


Über das Fortdauern des klerikalen und nazistischen Antisemitismus auch im wiedererstandenen Vorarlberg

In Vorarlbergs Verwaltung hatten sich auch nach dem Wiedererstehen eines demokratischen Österreichs und eines selbständigen Vorarlbergs Haltungen und Personen etabliert. die der Ideologie des III.Reiches und seines Antisemitismus auch nachträglich nicht  widerstehen wollten. Man stelle sich vor: Noch vor Fertigstellung des Filmes "Der Prozeß - Im Namen der Menschlichkeit" sprach die Vorarlberger Landesregierung Anfang 1948 ein Aufführungsverbot aus.  Das führte im Februar 1948 zu einer parlamentarische Anfrage von sozialistischen Abgeordneten (Abg. Reismann u. Gen. Betr. Erlässe gegen die Aufführung eines noch in Vorbereitung stehenden Filmes „Der Prozeß“, Stenographische Protokolle des Nationalrates, 18.2.1948) an den Innenminister Helmer.

Antisemitismus aus politischen und religiösen Gründen. Auf Nachfrage der Verleihfirma berief sich die Vorarlberger Landesregierung laut „Wiener Kurier“ auf eine Wiener Stelle, die alle Landesregierungen ersucht hätte, den Film „aus politischen und religiösen Bedenken“ nicht zuzulassen. Unterrichts- und Innenministerium wiesen die Existenz eines solchen Schreibens von sich und das Handelsministerium unterstützte uneingeschränkt die Filmemacher, denn "man gehe von einer 'Spitzenleistung der österreichischen Filmproduktion' aus und sei aus Exportgründen an künstlerisch hochwertigen Filmen interessiert.

Es ist ein 1947 entstandener österreichischer Spielfilm von G. W. Pabst mit Ernst Deutsch und Ewald Balser in den Hauptrollen. Josef Meinrad spielte mit dem Untersuchungsrichter einen juristischen Scharfmacher. Sowohl "Der Prozeß", der sich mit Antisemitismus anhand eines historischen Falles auseinandersetzt, sowie "Der letzte Akt" mit Albin Skoda und "Es geschah am 20. Juli", die beide 1955 gedreht wurden und sich mit dem Dritten Reich beschäftigen, sind bemerkenswerte und frühe Versuche  von Georg Wilhelm Pabst (*25.8.1885 in Raudnitz, Böhmen; † 29.5.1967 in Wien) sich mit den Schatten der unmittelbaren deutsch-österreichischen Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Das Filmwerk  beruht auf der literarischen Vorlage „Prozeß auf Leben und Tod“ von Rudolf Brunngraber und bezieht sich auf die Affäre von Tiszaeszlár (Ungarn): 

 Am 1. April 1882 verschwand das vierzehnjährige katholische Bauernmädchen Eszter Solymosi spurlos. Es tauchten Gerüchte auf, denen zufolge sie anlässlich des jüdischen Pessachfestes einem Ritualmord zum Opfer gefallen sein soll. Diese Gerüchte wurden von den antisemitischen Politikern Géza Ónódy und Gyözö Istóczy gefördert. Anfang Mai 1882 erstattete die Mutter des verschwundenen Mädchens Anzeige. Daraufhin wurde aufgrund der mutmaßlich erzwungenen Aussagen des fünfjährigen und des vierzehnjährigen Sohnes der jüdischen Familie Scharf Anklage erhoben. In der Folgezeit entwickelten Teile der christlichen Bevölkerung Ungarns, angefacht durch hetzerische Äußerungen glühender Antisemiten, eine regelrecht antijüdische Hysterie. Der Prozess gegen die Beschuldigten endete am 3. August 1883 mit Freispruch.

Der Film erlebte seine Welturaufführung am 5. März 1948 in Zürich und seine österreichische Erstaufführung am 19. März 1948 in Wien. Die deutsche Premiere fand mit Genehmigung der alliierten Militärbehörde im Rahmen einer geschlossenen Filmclubveranstaltung am 3. September 1948 in Hamburg statt.


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