Donnerstag, 3. März 2022

[ #Hard ] NS-Restitution: Rupp versus Alma


Ein Lehrbeispiel über die Kontinuitäten undemokratischer Vorarlberger politischer Eliten.

Die Nazigeschichte Vorarlbergs beschäftigte Vorarlberg noch einmal ganz merkwürdig und das rechtsstaatliche und demokratische Bekenntnis der Vorarlberger Politik schienen schon wieder einmal gescheitert. Erst der Oberste Gerichtshof aus dem im politischen Vorarlberg ungeliebten Wien stellte wieder die Verhältnisse in Recht und Ordnung.

Am 13. Februar 1947 droht der Präsident der Vorarlberger Landwirtschaftskammer Karl Zerlauth (*1894; †1967 ) Josef Rupp an, dass für den Fall eines Rückstellungsverfahrens wegen des Schmelzwerkes in Lochau, des ihm durch die Nazis zu Unrecht entzogenen Eigentums zugunsten der Käsereigenossenschaft ALMA, dass der Landeshauptmann Ilg ihn diesmal schon "bücken würde".

Tatsächlich intervenierte Landeshauptmann Ilg sichtlich wider besserem Wissen um die tatsächlichen Verhältnisse im Ministerium, offenbar in der verqueren Meinung, man könnte noch immer (oder schon wieder) durch willkürliches Verwaltungshandeln die unabhängige Gerichtsbarkeit ausschalten.

Zerlauth selbst war nicht nur Bauernkammerpräsident sondern Landtagsabgeordneter, Mitglied der Landesregierung Ilg und Regierungsreferent für Ernährungsfragen. In den hungrigen Nachkriegstagen ein mächtiger Mann. Selber hatte er sowenig wie Ilg eine demokratisch weiße Weste. Am 14. November 1934 wurde Karl Zerlauth aufgrund der diktatorischen Maßnahmen des austrofaschistischen Ständestaats zum Landtagsabgeordneten ernannt, nachdem man den wirklich gewählten Abgeordneten die Mandate entzogen hatte! Ilg wiederum war ja zu Zeiten des Austrofaschismus nicht nur kurzfristig Staatssekretär unter Dollfuß sondern auch Landesbauernführer.

1908 wurde die Firma Rupp als Käsewerk in Lochau gegründet. 1921 wurde die Alma-Käse-Fabrik als Genossenschaft in Hard gegründet. Der Schwerpunkt der beiden Firmen lag in der Schmelzkäseerzeugung. 1937 hatte Rupp ein neues Schmelzkäserwerk errichtet, das im Juni 1938 an die Bauerngenossenschaft Alma verkauft werden musste, weil die Nationalsozialisten einen Betrieb verweigerte. Nach 1945 bemühte sich der alte Eigentümer Josef Rupp um die Rückstellung seines Betriebes.

Die Bauerngenossenschaft, die sich jeweils durch den Austausch einiger Spitzenfunktionäre für jedes gerade aktuelle System politisch umfärbte, ging bis in die höchste Instanz und hatte auch die Politik und die landwirtschaftlichen Verbände auf ihrer Seite. Man argumentierte in der traditionellen pseudoantikapitalistischen Ideologie des Austrofaschismus wie des Nationalsozialismus: Der "Betrieb einer Bauerngenossenschaft" darf nicht einem Privatunternehmer in die Hände fallen.

Landeshauptmann Ilg hatte gar noch gerügt, dass die Landesregierung "übergangen" worden sei, wiewohl es sich um einen Rechtsstreit und nicht um eine politische Verwaltungshandlung handelte. Die Umstände der Transaktion spielten bei diesen Überlegungen vorsätzlich keine Rolle, allerdings spielten sie ihm Rahmen des Verfahrens vor der Rückstellungskommission sehr wohl eine, denn glücklicherweise hatte das wiedererstandene Österreich doch bereits eine funktionierende rechtsstaatliche Justiz. In diesem Verfahren setzte sich nach drei Jahren der Antragsteller Josef Rupp vor der obersten Rückstellungskommission beim OGH durch und es wurde ihm bestätigt, dass es sich bei der Transaktion im Juni 1938 um keinen „redlichen Erwerb“ durch die Firma Alma, sondern um eine Vermögensentziehung gehandelt habe.

Der latente Streit zwischen der politisch verwalteten "Genossenschaft" ALMA und dem privatwirtschaftlichen Unternehmen Rupp endete schließlich 2008 endgültig: Im Jänner übernahm Rupp die Firma Alma, deren standespolitisches Management nun endgültig gescheitert war und damit dem bäuerlichen Genossenschaftsgedanken den Todesstoß versetzt hatte.  Dabei hatte der Genossenschaftsgedanke einen großen Vater. Auf Initiative von Franz Michael Felder gründeten eine Handvoll entschlossener Bauern 1860 den „Landwirtschaftlichen Käseverein Bezau“. Gemeinsam wollte man das Monopol der sogenannten „Käsegrafen“ beenden. Das war freilich eine gänzlich andere Idee von Genossenschaft gewesen.

[Zeitreiseführer #Vorarlberg ]

1 Kommentar:

Oliver Märk hat gesagt…

Es gibt schon einige merkwürdige Begebenheiten - auch in Vorarlberg.

von http://bergfuchs.blogspot.co.at